In Frankfurt wurde am 16. Juni das Strafverfahren wegen der Ermordung des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und des Tötungsversuchs an Ahmad E. eröffnet. Die Taten werden dem Hauptangeklagten Stephan E. und seinem mutmaßliche Mittäter Markus H. am Oberlandesgericht von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen. Nach mehreren abgelehnten oder zurückgestellten Anträgen der Verteidigung wurde an dem ersten Prozesstag die Anklageschrift gegen die beiden Kasseler Neonazis verlesen.
Der Prozessauftakt sorgte in Frankfurt auch für ein Echo jenseits des Gerichtssaals. Der Beginn des Verfahrens wurde von Aktionen und Kundgebungen kritisch begleitet. Organisiert von der Gruppe „IL-Frankfurt“ zeigten sich am Nachmittag eine Vielzahl von Organisationen und Initiativen verbunden in der Auffassung, dass es sich bei den Angeklagten nicht um isolierte Einzeltäter handelte.
In den Redebeiträgen wurden immer wieder auf die Kontinuität rechten Terrors in Deutschland sowie auf die Verbindungen der beiden Neonazis zu dem bisher unaufgeklärten NSU-Komplex hingewiesen. „NSU-Watch Hessen“ kündigte an den bis Oktober angesetzten Prozess kontinuierlich begleiten und die Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machen zu wollen. Aufklärungsarbeit müsse über die Mordnacht hinausgehen. Denn, so eine Vertreterin von „NSU-Watch Hessen“, die Täter „waren eingebettet in ein Neonazimilieu in Kassel und in Hessen, dass bisher stets zur Unterstützung rechtsterroristische Taten bereit war“.
“Entnazifizierung jetzt!”
Betont wurde in der Kundgebung auch, dass die beiden Kasseler Neonazis mit ihrem rassistischen Motiv nicht alleine seien. Ob in der Polizeiarbeit oder in der Berichterstattung zum NSU-Komplex, ein institutioneller und gesellschaftlicher Rassismus bilde die Grundlage für den rechten Terror.
Eine Aktivisten des antirassistischen Bündnisses „We‘ll Come United“ erklärte daher: „Wir fordern nicht weniger als die radikale Entnazifizierung der Politik, der deutschen Behördern und der deutschen Gesellschaft!“
Plakate zu dem Prozessauftakt in der Kasseler Nordstadt
Auch in Kassel blieb der Beginn des Prozesses nicht unkommentiert. In verschiedenen Kasseler Stadtvierteln sind am Dienstag Plakate angebracht worden, die erneut auf die Tradition rechter Gewalt in Deutschland hinweisen.