70 Personen haben am 29. Oktober 2020 um 17:30 vor dem Rathaus für die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten und Zugang zu medizinischer Versorgung für alle Menschen demonstriert. Der Protest richtete sich dabei gegen die Lebensbedingungen in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Kassel Niederzwehren. Die Initiative „Solidarity City“ hatte zu der Kundgebung aufgerufen.
Seitdem bekannt geworden war, dass sich mindestens 112 der 301 Bewohner*innen mit dem Coronavirus infiziert hatten, steht die Unterkunft seit dem 10. Oktober 2020 unter Quarantäne. Berichte von Bewohner*innen der Unterkunft in Niederzwehren haben immer wieder deutlich gemacht, dass die Lebensumstände in der Unterkunft Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus nicht zulassen. In den Redebeiträgen auf der Kundgebung wurde darauf hingewiesen, dass die Forderung nach dezentraler Unterbringung von geflüchteten Menschen bereits seit Beginn der Corona- Pandemie geäußert worden sei.
Die Lebensbedingungen in den Sammelunterkünften seien politisch gewollt und nicht etwa Resultat fehlender Ressourcen, so eine Rednerin von „Solidarity City“. Den Menschen würden menschenwürdige Lebensumstände und eine sichere Perspektive gezielt verwehrt. Behörden und Politik würden davon ausgehen, dass andere Menschen davon abzuhalten werden könnten, nach Deutschland zu flüchten. In den Redebeiträgen wurde somit nicht nur auf die Situation von Geflüchteten angesichts der Corona- Pandemie aufmerksam gemacht. Die Redner*innen betonten vielmehr, dass der Umgang mit Geflüchteten in Deutschland Ausdruck des Rassismus der Gesellschaft sei. Dieser Rassismus durchziehe Behördenhandeln und politische Entscheidungen und sei tagtäglich für Geflüchtete spürbar.
Die Initiative „Solidarity City“ setzt sich für eine solidarische Stadt ein, in der alle Menschen gleichberechtigt unabhängig von Pass, Aufenthaltsstatus und finanziellen Mitteln zusammen leben können. Dass die Kundgebung unter der am Rathaus angebrachten Parole „#KasselHältZusammen“ stattfand, ist angesichts des Anlasses der Kundgebung besonders zynisch. Die Kundgebung hat wiederholt deutlich gemacht, dass im gemeinschaftlichen „Kassel“ gegenwärtig keineswegs alle Menschen inbegriffen sind, die in Kassel leben.