Am 14.11.2020 versammelten sich rund 250 Demonstrant*innen vor dem Rathaus unter dem Motto „Abtreibungen legalisieren! Antifeminismus sabotieren!- In Kassel und überall!“. Aufgerufen hatte ein breites feministisches Bündnis in Solidarität mit Frauen und Queers in Polen.
Anlass für die Demonstration bildete ursprünglich das jährlich in Kassel stattfindende Treffen des Vereins „Treffen Christlicher Lebensrechtsgruppen“(TCLG). Über die coronabedingte Absage des sogenannten „Lebensrechtforums“ und das TCLG berichteten wir in einem Gespräch mit Feminism Unlimited Kassel (Fu*K). Anders als das Treffen der Abtreibungsgegner*innen konnte der feministische Protest auch dieses Jahr wieder mit vielen Fahnen, Transparenten und Plakaten erfolgreich auf die Straße getragen werden.
In einer Rede der Gynäkologin Nora Szász wurden die vielen rechtlichen wie bürokratischen Hürden angeprangert, welche Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland erschweren. Demnach verfolge Deutschland eine der restriktivsten Politiken in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche in der EU. Die gemeinsame Forderung der Redner*innen war daher die Abschaffung der Paragrafen 218 und 219a des Strafgesetzbuches.
Aufgrund dieser Paragrafen drohen Menschen, die Schwangerschaftsabbrüche in Anspruch nehmen und beratenden und informierenden Ärzt*innen hohe Geld- bis hin zu Gefängnisstrafen. Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen nötige Betroffene zu teils lebensbedrohlichen, improvisierten und damit unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen.
In Hessen sind Schwangerschaftsabbrüche dieses Jahr aufgrund der Coronapandemie sogar vorrübergehend als nicht notwendiger Eingriff erklärt worden. Statt diesen Verboten und Sanktionen wurde einhellig ein Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper von den Demonstrierenden gefordert.
Weitere Themen im Rahmen der Demonstration waren unter anderem die Ehe für alle, das Adoptionsrecht und die enormen Schwierigkeit bei der Namensänderung von Nicht-Binären.
Mehrmals wurde Bezug zu internationalen feministischen Kämpfe wie in Kurdistan, den Ländern Lateinamerikas, Polen oder den USA Bezug genommen.
In vielen Ländern richten sich diese Kämpfe gegen einen erstarkenden Antifeminismus. Ein Redebeitrag der Gruppe Women Defend Rojava (WDR) beschrieb die Situation wie folgt:
„Heute sehen wir uns religiös- konservativen bis faschistischen Gruppen gegenüber, die in letzter Konsequenz Frauen allein auf ihre vermeintliche Gebärfähigkeit reduzieren.“
Vom Rathaus aus zog die Demonstration über den Königsplatz zum Stern und schwoll auf über 300 Teilnehmer*innen an. In einem abschließenden Grußwort wurde sich mit den aktuellen Aktionen von Feminist*innen in Polen solidarisiert. Nachdem dort per Verfassungsgerichtsurteil das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft wurde, beteiligten sich dort zehntausende an feministischen Streiks und Großdemonstrationen.
Auch die aktuelle Entwicklung in Polen zeigt, welche Gefahr von antifeministischen Strömungen ausgeht und die Notwendigkeit einer großen internationalen feministischen Bewegung.