Die Schlacht um „Oben“


Am 5.12.2020 beteiligten sich mehrere hundert Aktivist*innen an einer Ende-Gelände-Aktion im Dannenröder Wald, um die dortige Besetzung zu unterstützen. Die Waldbesetzer*innen und angereisten Aktivist*innen haben für diesen Tag verhindert, dass die Rodung fortgesetzt wurde. Polizeigewalt, von der schon in den vorangegangenen Wochen immer wieder berichtet wurde, war auch an diesem Samstag allgegenwärtig.

Ein Gastbeitrag von Karla Brenner

Bildquelle: Bastian Betz

Das letzte Baumhausdorf “Oben” stand am 5.12.2020 noch. Ende Gelände hatte dazu aufgerufen, die Rodung an diesem Tag zu stoppen und die Besetzung so zu unterstützen. Bereits zu früher Stunde waren die Aktivist*innen vom Camp am Waldrand zum Baumhausdorf aufgebrochen und trafen gegen acht Uhr auf einem schneebedeckten Feld zwischen Polizeicamp und dem Baumhausdorf „Oben“ ein.

„Auf Schneeballwürfe durch einzelne Aktivist*innen auf Polizist*innen reagierte die Polizei, indem sie bei Minusgraden einen Wasserwerfer einsetze“, so ein Ende-Gelände-Aktivist. Kurz darauf formierte sich die erste Hundertschaft und rannte auf die verstreuten Aktivist*innen in Richtung der Baumhäuser entgegen. Nach und nach kamen immer mehr Polizist*innen hinzu, die die Aktivist*innen durch Schlagstöcke, Pfefferspray und Tritte aggressiv zurückdrängten, woraufhin die Aktivist*innen notgedrungen eine Menschenkette um das Baumhausdorf formten.

“Allein, dass wir da waren, schien für die Polizist*innen ausreichend, um unablässig Gewalt anzuwenden.”

eine Ende- Gelände- Aktivistin

„Die Polizist*innen prügelten unter Pfeffersprayeinsatz immer wieder grundlos auf unsere Menschenkette ein. Allein, dass wir da waren, schien für die Polizist*innen ausreichend, um unablässig Gewalt anzuwenden“, so eine Aktivistin der Ende-Gelände-Aktion. „Es schien, als wolle die Polizei damit von Beginn an deutlich machen, dass sie keinen Tag Rodungspause einlegen werden. Stattdessen sollte die Räumung schnellstmöglich und ohne Rücksicht auf Verluste umgesetzt werden“, so die Aktivistin weiter.

Nach dieser ersten Eskalation zog sich die Polizei gegen elf Uhr zurück und kommunizierte in Gesprächen mit parlamentarischen Beobachter*innen und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen die Beendigung des Einsatzes für den Tag. Bei den Aktivist*innen war eine Stimmung von Entspannung und Erfolg wahrnehmbar. Nach kurzer Beratung unter einander, entschieden sich Aktivist*innen und Besetzer*innen den Tag für selbstorganisierte Skill-Sharings zum Bau von Besetzungsstrukturen zu nutzen sowie aus umliegenden Baumstämmen Barrikaden um das Barrio zu bauen.

Bildquelle: Bastian Betz

Trotz des vorher kommunizierten Endes des Einsatzes für den Tag formierte sich die Polizei um 14 Uhr erneut um das Baumhausdorf. Ohne Vorankündigung drang die Polizei gewaltvoll in das Baumhausdorf ein und versuchte unter erneutem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken die Räumungsarbeiten wieder aufnehmen zu können. Obwohl dieser Einsatz der Polizei zufolge der Sicherstellung von Rettungswegen dienen sollte, wurden Sanitäter*innen daran gehindert, zu verletzten Aktivist*innen zu gelangen.

Ab 15 Uhr begannen schließlich Räumungen der Bodenblockaden und zwei Personen wurden aus zwei Tripods am Eingang des Baumhausdorfes geräumt. Obwohl die Polizei in den vorangegangenen Wochen immer wieder betonte, nach dem Prinzip „Sicherheit vor Geschwindigkeit“ vorzugehen, legte ihr Vorgehen bei dieser Räumung Gegenteiliges nahe: So wurden nacheinander die drei Baumstämme der Tripods gekürzt, ein Vorgehen, dass die Besetzer*innen der Gefahr der Schwerverletzung aussetzte. Einzelne, teils Außenstehende wurden von Polizeitrupps heraus festgenommen, während Pressevertreter*innen die Berichterstattung dessen verwehrt wurde.

Um 17 Uhr zog sich die Polizei zurück. Eine Ende-Gelände Aktivistin beschreibt das Vorgehen der Polizei an diesem Tag „als reine Machtdemonstration“. Dabei stellt die eskalative Vorgehensweise an diesem Samstag keinen Einzelfall dar. Über die letzten Monate und Wochen gingen die aufgerüsteten Einsatzkräfte immer wieder mit roher Gewalt gegen die Besetzer*innen vor, wobei schwerste Verletzungen bis hin zur Lebensgefahr billigend in Kauf genommen wurden. Der Staat zeigt im Zuge der Räumungsarbeiten immer wieder, zu was er bereit ist, um parlamentarisch durchgesetzte Kapitalinteressen mit aller Härte zu erwirken.

Bildquelle: Channoh Peepovicz

Am Montag, den 7.12.2020 ist trotz des Widerstands zahlreicher Aktivist*innen im Wald der letzte Baum auf der geplanten Trasse gefallen. Die Schlacht um das letzte Baumhaus ist geschlagen, der Kampf um den Bau der Autobahn aber noch lange nicht vorbei. Die Aktivist*innen im Dannenröder Wald haben angekündigt sich dem Ausbau weiter entgegenstellen.

Weitere Informationen über die Besetzung finden sich online auf dem Blog der Besetzung sowie deren Twitter- Account.