Drei Wochen Krieg


In Kassel protestieren seit Wochen Hunderte gegen den Angriffskrieg in Kurdistan, Rojava.

von Christoph Hepp

Quelle: pressestelle

Wieder ist das gelbe Transparent auf der Straße. „Revolution in Rojava – Feminismus, Ökologie, Demokratie“ kann man darauf lesen. Hunderte Menschen folgen dem Demonstrationsblock der das Transparent trägt. Rund einhundert Frauen, Kinder, Jugendliche führen den Zug an. Man sieht ihnen an dass sie kämpferisch auf der Straße sind. Der kurdische Studierendenverband hat aufgerufen, wie so oft in diesen Wochen, gegen den Angriffskrieg der Türkei in Nordsyrien, auch Rojava genannt zu demonstrieren.

Kurz wird es hektisch in der Kasseler Jägerstraße, als Anhänger des Mili Görüs Moscheevereins den faschistischen Wolfsgruß aus dem Fenster zeigen. Einige Teilnehmende der kurdischen Demonstration versuchen den Hof der Moschee zu stürmen, scheitern jedoch wutentbrannt am eilends zugeschlagenen Gitter. Die Stimmung ist aufgeladen in Kassel und bundesweit. In Dortmund wurden Mitte Oktober Brandsätze auf eine Moschee des DITIB Moscheeverbands geworfen.

Erdogans Angriffskrieg in Syrien gegen die Kurden vereint die rechten und islamistischen Kräfte der Türkei. Die islamistischen Proxies, die das Kanonenfutter der Offensive stellen, begehen Kriegsverbrechen, die türkische Armee bombardiert die Zivilbevölkerung. Das Echo in der Weltgemeinschaft ist zwar scharf verurteilend, doch Handlungen gegen den Krieg folgen keine. Der Diktator Erdogan kann scheinbar tun und lassen was er will. Sein Krieg gegen das Kurdische Volk geht mit aller Härte weiter.

“Kurz wird es hektisch in der Kasseler Jägerstraße, als Anhänger des Mili Görüs Moscheevereins den faschistischen Wolfsgruß aus dem Fenster zeigen.”

Die Empörung über den Angriff, der auch zusehends eine humanitäre Katastrophe wird, bricht sich nun seit Wochen auf Kassels Straßen Bahn. Die kurdische Community ist überraschend vereint, abseits ihrer politischen Gräben. Fahnen der KDP-Barzani-Anhänger aus dem Nordirak wehen neben den Fahnen der sozialistischen kurdischen Freiheitsbewegung. Obwohl sich die Meinungsverschiedenheiten wohl kaum endgültig überbrücken lassen, ist die gemeinsame Opposition zu Erdogan ein wichtiger Moment.

Das sozialistische Projekt Rojava strahlt auch unter massivem Druck noch eine Faszination aus. Unter den Protestierenden auf Kassels Straßen sind viele deutsche Linke, die sich solidarisch erklären. Die Schlagwörter Basisdemokratie, Feminismus und Ökologie wurden selten so umfassend umgesetzt, ist man sich in den Redebeiträgen und Grußwörtern einig.

Dass Kassel in der Gleichung des militärischen Überfalls eine besondere Rolle spielt, zeigte sich in der zweiten Woche der Proteste, als deutsche Aktivistinnen die Fabrik von Krauss-Maffei-Wegmann, dem Panzerhersteller in der Wolfhager Straße, blockierten. Sie blockierten die Zufahrten, ketteten sich an die Werkstore und besetzten das Dach der Fabrik. Ein SEK-Einsatz beendete nach 10 Stunden die Blockade. Nun kann KMW wieder unter anderem das türkische Militär beliefern. Der Haupterfolg der Aktion war ein umfassend positives Medienecho durch fast alle bürgerlichen Medien, natürlich abseits der konkreten Betriebsbehinderung.

Gleichzeitig zu den hochfrequenten Aktionswochen in Kassel wurde bekannt, dass der deutsche Internationalist „Konstantin Andok Cotkar“ bei der Verteidigung der kurdischen Stadt Serikaniye gefallen ist. Getötet wurde er durch einen Luftangriff genau jener Armee die KMW beliefert.

Die Relevanz des Themas, lokal und global, scheinen jedoch nicht alle zu teilen. Nach 13 Tagen völligen Schweigens über die täglichen Aktionen und Demonstrationen mit bis zu 800 Teilnehmenden, erbarmte sich die Regionalmonopolzeitung HNA zu einem Artikel. Er drehte sich zu einem Gutteil um Verkehrsbeschränkungen wegen den Demonstrationen.