Unter dem Motto “Findet den Täter!” demonstrierten am Mittwochnachmittag zahlreiche Kasseler*innen mit einem Auto- und Fahrradkorso für die lückenlose Aufklärung des wahrscheinlich rassistisch motivierten Mordversuchs an einem Minicarfahrer aus Kassel.
Angeführt von den taxifahrenden Kolleg*innen des Betroffenen startete um 16 Uhr ein Tross von rund 80 Autos und rund 150 Radfahrer*innen am Halitplatz und umrundete laut hupend die Innenstadt. Am 21. Juni 2020 hatte ein unbekannter Mann den Minicar-Fahrer Bekir E. in der Kasseler Nordstadt mit einem Stich in den Hals schwer verletzt. Die Angaben des Opfers lassen auf ein rassistisches Tatmotiv schließen. So habe er ihn mit den Worten „Scheiss Ausländer, Geldwäscher” beleidigt, bevor er zugestochen habe und von der Ecke Fraunhoferstraße / Knutzenstraße in Richtung Fiedlerstraße geflohen sei. Bekir E. überlebte die Attacke nach einer Notfallbehandlung im nahegelegenen Klinikum.
Im Falle des jüngsten Messerangriffs hatte die Lokalzeitung HNA zunächst schlicht von einem „grundlosen Angriff“ geschrieben.
Die Demonstrant*innen machten allerdings deutlich, dass sie nicht allein den Täter in der Verantwortung sehen. Denn Kassel habe ein Problem mit Rassismus allgemein und rechtem Terror im Besonderen, so die Veranstalter*innen von der Initiative 6. April und Minicar-Citycar. Im Demonstrationsaufruf stellten sie den Angriff auf Bekir E. in eine Reihe mit einer Messerattacke aus dem Jahr 2016. Der Lübcke-Mörder Stephan Ernst steht unter dringendem Verdacht Ahmed I. damals lebensgefährlich verletzt zu haben. Polizei und Medien werden im Aufruf dafür kritisiert, die rassistischen Motive der Taten nicht ernst genommen zu haben. Im Falle des jüngsten Messerangriffs hatte die Lokalzeitung HNA zunächst schlicht von einem „grundlosen Angriff“ geschrieben.
„Eine Stadt ist erst dann schön, wenn es keine Rassist*innen mehr in ihr gibt.“
Auf die strukturelle Dimension des mutmaßlich rassistischen Mordversuchs machte bei der Abschlusskundgebung am Halitplatz auch der Vorsitzende des Ausländerbeirats der Stadt Kassel, Kamil Saygin, aufmerksam. In Zeiten zunehmender rechter Gewalt sei er traurig, dass keine Vertreter*innen der Stadt Kassel bei der Demonstration erschienen waren. Zudem erinnerte er in seiner kurzen Ansprache an eine Demonstration, bei der schon im Jahr 2006 – unmittelbar nach dem 9. Mord des sogenannten NSU an Halit Yozgat in Kassel – auf die rassistische Dimension der Mordserie hingewiesen wurde.
Während Saygin dennoch betonte, dass ihm Kassel und seine Menschen gut gefallen, war es Ayşe Güleç von der Initiative 6. April, die klarstellte, was viele der applaudierenden Demonstrant*innen an diesem Nachmittag eher zu teilen schienen: „Eine Stadt ist erst dann schön, wenn es keine Rassist*innen mehr in ihr gibt.“ Hierzu sei es an der Zeit, wie es Saygin zuvor auf den Punkt gebracht hatte, dass sich auch die „Deutschen“ integrieren.