„Schwarze Wolken verdunkeln den Himmel“ – so oder ähnlich wird der politischen Beobachterin zu Mute, wenn sie dieser Tage im Dannenröder Forst einen Spaziergang unternimmt und an einem NATO-Drahtzaun vor einem Meer an Polizeihelmen steht, während dahinter ein Wald abgeholzt wird. Ein Kommentar.
Gleich von zwei Seiten frisst sich eine militärisch abgesicherte Rodung durch das kleine Waldstück im Vogelsbergkreis. Die Armee, die hier zu Gange ist, hat auf rein gar nichts verzichtet: Hunderte Züge Bereitschaftseinheiten, Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, Sondereinsatzkommandos, Tränengasgranatenwerfer, hunderte Kleinbusse, Nachtsichtgeräte, Pistolen, Pfefferspray, Knüppel, Räumpanzer, Bereichsausleuchtung, Hebebühnen, Wasserwerfer, Taserpistolen, NATO-Draht, Überwachungsdrohnen, Helikopter, zu Kasernen umfunktionierte Turnhallen, Offroad-Buggys, festungsähnliche Containerburgen, Straßensperren, Gitterkäfige. Niemand wäre ernsthaft verwundert, wenn diese Polizeiarmee auch einen Container mit Sturmgewehren und Granaten angeschafft hätte, „nur für den Fall“. Wenn es einen militarisierten deutschen Polizeistaat gibt, dann zeigt er sich aktuell in seiner ganzen Stärke im Dannenröder Forst. Und er setzt mit jedem erdenklichen Mittel das hessische Waldgesetz durch, eines der eher nachrangigen Rechtsgüter.
Dieser absurd anmutende Einsatz wird von einem Propagandaapparat flankiert, der sich hinter der unsachlichen Worthülse „Presseteam“ versteckt. Hier arbeitet ganz einfach die hessische Polizei verzweifelt an ihrem Image, denn Weltenbrand, Jugendliche verprügeln und von Bäumen werfen, sind eher schwierig zu vermitteln. So schlingern zwei Beamte wahlweise im Streifen- oder Kampfanzug jeden Einsatztag an den Grenzen zwischen Fakenews und Fronttagebuch hin und her. Mit einer schwer erträglichen Bauernschläue, die seit jeher den Schreibtischtätern gemein ist, geben sie jeder noch so wahnsinnigen Aktion ihrer Truppen einen nachträglichen Freibrief.
Und von diesen Aktionen gibt es nicht zu wenig. Den Berichten aus dem Wald zufolge ist der durchschnittliche Polizeibeamte der Bereitschaftseinheiten für den einen oder anderen Sadismus zu haben: Verprügelte Aktivist*innen, eine zusammengeschlagene kirchliche Beobachterin, nächtliche SEK-Schlägerkommandos, Beamte urinieren auf festgeklemmte Besetzer, willkürliche Verhaftungen, Zerstörung von Besitz der Aktivisten. Mehrfach durchtrennten Polizeibeamte markierte Sicherungsseile und ließen damit Baumbesetzer*innen abstürzen. Konsequenzen für Polizisten hatte all das bisher keine.
Die Liste der Gemeinheiten ließe sich noch lange weiterführen, überraschend ist sie in dieser Großlage der Narrenfreiheit nicht. Zumal sich die hessische Polizei in jüngster Vergangenheit nicht gerade durch eine politisch liberale Ausrichtung bekannt gemacht hat, wie die zahlreichen Neonazis in ihren Reihen und ihre dienstlich recherchierten Morddrohungen beweisen.
Die Gegenseite
Dabei stellt sich die Frage, gegen wen diese Armee der bewaffneten Biedermeier in Sturmhaube eigentlich kämpft um Eigentumsrecht und Waldgesetz durchzusetzen. Da sitzen auf der Gegenseite rund 200 Baumbesetzerinnen in den Wipfeln, die grundsätzlich alle Weggefährtinnen mit „Menschis“ ansprechen, einen Altersschnitt von circa 18 Jahren aufweisen und bemüht umsichtig mit ihren Mitmenschen und Umwelt umgehen. Junge Menschen, die mit dem Klimawandel eines der größten politischen Probleme der Zeit mit einer gehörigen Portion Idealismus zu lösen versuchen. Menschen, deren Gewaltkompetenz im Schnitt gerade mal zu einem geworfenen Kotbeutel reicht. Die Anfeindungen an die Polizei im Forst, die über ein Niveau von Belästigungen hinausgehen, lassen sich über das letzte Jahr Aktivismus an zwei Händen abzählen.
Falls sich jemand da jemals die Frage gestellt haben sollte, was es mit der linken These der Staatsfaschisierung auf sich hat, und ob die Ex-Ökopartei „Die Grünen“ dabei mitmachen würde, können wir Stand November 2020 feststellen: Ja, gibt es & ja, würde sie. Ein militarisierter Staatsapparat unter der Führung einer grünen Landesregierung holzt einen Wald für eine ökonomisch gefällige Autobahn ab und verprügelt nebenbei jeden Ökoaktivisten des Landes auf dem Weg. Da sind sich Ferrero, Autoindustrie, AfD, Grüne, SPD und Spezialeinsatzkommandos einig. Wer hätte sich das noch vor einem Jahr ausdenken können?
Die Lehren aus dem Stück, das gerade im Dannenröder Forst aufgeführt wird, sind noch nicht gezogen. Vorschläge hätte der Autor dieser Zeilen: Im Kapitalismus ist alles entbehrlich, was dem Profit im Weg steht; die Grünen sind weder links noch ökologisch; die Polizei ist die selbstdrehende Schraube der Militarisierung und Staatsfaschisierung; wer sich auf einen Baum setzt, hat gute Karten, von Staatsbediensteten in den Tod gestürzt zu werden.
Informationen über die Besetzung finden sich online auf dem Website der Besetzung, auf ihrem Twitter- Account und natürlich vor Ort an der Mahnwache in Dannenrod.