Die 15. Documenta ist mittlerweile vorbei und der aufgewirbelte Staub der politischen Debatte um die internationale Kunstausstellung in Kassel lichtet sich. In einem eingereichten Gastkommentar fragen sich die Autor_innen: Was bleibt von der Antisemitismusdebatte?
(This text is also available in english. Click here to jump to english translation.)
Die documenta fifteen ist vorbei, die Wut bleibt. Doch was nehmen wir als Linke in Kassel mit? Was machen wir aus unserer Wut?
Die documenta fifteen hat viele große Fragen zum Thema Antisemitimus und Rassismus wieder auf den Tisch gebracht: Wer sagt, was Antisemitismus und Rassismus ist? Wie geht man mit Antisemitismus und Rassismus im öffentlichen Raum um? Und wie verhalten sich Absicht der Künstler_innen, Interpretation der Besucher_innen und Rezeption der Medien zueinander?
Jüdische Menschen haben den Antisemitismus auf der documenta fifteen immer wieder kritisiert. Diese Arbeiten und Analysen müssen ernst genommen werden und die Grundlage jeder Auseinandersetzung mit diesen Fragen darstellen. Dieser Beitrag soll jüdischen Menschen Solidarität ausdrücken und dafür danken, dass es vor allem ihr wart, die auf den Antisemitismus aufmerksam gemacht und immer wieder thematisiert haben.
Traurig, dass dies nicht von anderen Akteur_innen – wie der documenta fifteen – übernommen wurde. Aber leider soweit nichts Neues. Die (Re-)Traumatisierungen jüdischer Menschen, die mit antisemitischen Werken konfrontiert wurden, sind jetzt schon zu bemerken. Selbst wenn jüdische Menschen gar nicht in die Räume der documenta fifteen gehen wollen, mussten sie an bestimmten Bildern und Figuren im öffentlichen Raum vorbei. Außerdem sind sie immer wieder mit den Debatten und Bildern in den Medien konfrontiert. So sagte Christoph Heubner schon kurz nach Beginn der documenta fifteen am 21.06.2022 als Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees folgendes:
„Überlebende des Holocaust verfolgen die desolaten Entwicklungen um die documenta 15 mit Fassungslosigkeit und Resignation. Die erniedrigende Darstellung jüdischer Menschen auf ausgestellten Zeichnungen ist mit antisemitischen Klischees behaftet, die den Holocaust-Überlebenden sehr bekannt vorkommen und sie an die finsteren Zeiten erinnern, in denen sie mit ähnlichen Zeichnungen ausgestoßen und gejagt wurden. Jetzt zeigt sich, dass die Gesprächsunfähigkeit zwischen den politisch und künstlerisch Beteiligten bei der Vorbereitung der documenta zu einer mittlerweile total verfahrenen und würdelosen Situation geführt hat, die tragischerweise nichts anderes hervorbringen wird als neue antisemitische und antiisraelische Klischees in den Köpfen vieler Menschen: Die Juden als ewige Störenfriede und Miesmacher der documenta 15.“
Internationales Auschwitz Komitees
Parallel dazu sollte auch auf den Rassismus auf der documenta fifteen und in der Institution der Documenta aufmerksam gemacht werden. Rassistische und transfeindliche Angriffe auf Künstler_innen sind bekannt. Rassistische Strukturen der Documenta-Institution wurden unter anderem vom BPoC Festival Kassel in ihrem Statement ausführlich sichtbar gemacht und immer wieder von documenta fifteen Künstler_innen angeprangert. Die BPoC-Festival Gruppe Kassel ist ein Zusammenschluss von Black, People of Color, die in den vergangenen zwei Jahren bereits zwei Veranstaltungsreihen mit verschiedenen Formaten organisiert haben.
Es verwundert nicht, dass die documenta fifteen auf rassistische und antisemitische Strukturen zurückfällt, denn Rassismus und Antisemitismus sind Alltag in der deutschen Gesellschaft und weltweit. Beides existiert parallel und ineinander verschränkt. Doch das Ignorieren, Nicht-Thematisieren und das fehlende Handeln der documenta fifteen im Umgang mit diesen Machtverhältnissen ist enttäuschend und macht wütend. Im Folgenden will dieser Beitrag nicht über die Auslegung verschiedener Werke nachdenken, es geht ihm nicht um die Kunstfreiheit. Es geht darum, welche Vorstellungen die Leute in ihren Köpfen haben. Es geht um die Verankerung von Antisemitismus und Rassismus als Machtverhältnisse auf der documenta fifteen, in linken Strukturen und überall. Es geht um die Frage nach Solidaritäten und Allianzen im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus. Wir – ein paar Menschen aus der Kasseler Linken – sind wütend. Wer eigentlich nicht? Und wir fragen uns in diesem Beitrag, wie wir gemeinsam gegen den rassistischen und antisemitischen Normalzustand kämpfen können!
Im folgenden Text wird über bestimmte Akteur_innen sowie Narrative reflektiert, die uns in der vergangenen Zeit aufgefallen sind. Wir kritisieren uns als Schreibende, die Documenta gGmbH, Ruangrupa und das Bündnis gegen Antisemitsmus Kassel. Wir kritisieren das Narrativ des alleinig importierten Antisemitismus. Wie kritisieren das Narrativ, dass der Antisemitismus-Vorwurf nur ein Überbleibsel nicht bearbeiteter deutscher Schuldgefühle wäre. Wir kritisieren das Narrativ, in dem postkoloniale Theorien pauschal als antisemitisch abgetan werden. Wir bleiben nicht bei der Kritik, sondern versuchen eine Perspektive für gemeinsame Kämpfe zu entwickeln. Die documenta fifteen ist zwar zu Ende, aber die Debatte noch lange nicht.
Wir kritisieren uns als Schreibende:
Auch wir haben uns zu wenig im Vorfeld der documenta fifteen, aber auch allgemein in unserer politischen Situation, mit Antisemitismus auseinandergesetzt. Wir nehmen wahr, dass immer wieder Hürden bei dem Thema entstehen, weil es Sorge gibt, sich beispielsweise in der Debatte über Israel-Palästina zu streiten. Doch das versperrt die konkrete Solidarität mit jüdischen Menschen, wenn Jüd_innen aufgrund von Antisemitismus angegriffen werden. Antisemitismus ist deutsche Realität und Alltag. Antisemitismus ist ein Mordmotiv der deutschen Rechten. Antisemitismus ist eine Machtstruktur, die uns prägt und unsere Narrative durchzieht. Antisemitismus ist Teil verkürzter linker Analysen des Kapitalismus. Antisemitismus ist überall und muss – genauso wie Rassismus, Cis-Sexismus, Ableismus, Klassismus und alle anderen Machtverhältnisse – aktiv verlernt werden. Durch zuhören und lernen. Durch konkrete Allianzen und Solidaritätsarbeit. Hier müssen wir ansetzen und weitermachen.
Wir kritisieren die Documenta gGmbH:
Dass im Vorfeld keinerlei Auseinandersetzung zu dem Thema Antisemitismus geschehen ist, betrachten wir als großen Fehler. Zu kritisieren ist die fehlenden Verantwortungsübernahme der documenta fifteen bezüglich eigener antisemitischer Geschichte: Konkret ist damit u.a. der Entstehungskontext der Documenta gemeint, so wie die Verbindungen zum Nationalsozialismus und die antisemitische Veranstaltung bei der vergangenen Documenta unter dem Motto „Auschwitz on the Beach“. Die ausführliche Auseinandersetzung mit diesen Aspekten wurde durch eine Diskussionsrunde ersetzt. Forschung zu den Verstrickungen von Nationalsozialismus und Antisemitismus, wie an der Gründungsperson Werner Haftmann sichtbar wird, wurden erst nach der Documenta14 vertiefend begonnen und im Folgenden z.B. in einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum aufbereitet.
Damit wurde damals eigentlich – viel zu spät – schon eine Auseinandersetzung in der Debatte um Antisemitismus in den Documenta-Strukturen begonnen, die aber in der documenta fifteen keinen Raum gefunden hat. Dass dies dort nicht thematisiert wurde, verweist auf eine vertane Chance, eine komplexe Debatte zu führen, die auch die Documenta als Institution und nicht nur Ruangrupa in den Blick genommen hätte. Wenn die Documenta-Institution eine große Kunstausstellung organisieren will, dann muss sie Antisemitismus in den eigenen Reihen, Strukturen und Institutionen ernst nehmen. Doch das hat die Institution nicht getan. Exemplarisch lässt sich dies am Umgang mit Meron Mendel verdeutlichen, der ursprünglich als Antisemitismus-Experte von Sabine Schormann in der Öffentlichkeit groß angekündigt wurde. Gleichzeitig wurde er innerhalb der documenta fifteen als Kontrollinstanz des Landes Hessen wahrgenommen und stieß deswegen auf Ablehnung. Öffentlich passierte nach der Ankündigung wenig. Es wirkte wie ein großes Schweigen und Aussitzen der Problematiken. Rückblickend sagt Mendel sogar, dass Schormann ein Gespräch mit ihm und den Künstler_innen verhindert hat. Mendel beschreibt dies als „eine neokoloniale Haltung gegenüber Ruangrupa“.
Die rassistische Haltung der Documenta gGmbH – wie sie durch das BPoC Festival, die Künstler_innen der documenta fifteen, sowie Mendel angeprangert wurden – wird an vielen Punkten sichtbar. Dies muss, genauso wie der fehlende Wille sich mit Antisemitismus auseinander zu setzen, scharf kritisiert werden. Als Beispiel lässt sich hier die fehlende Kommunikation der Documenta Leitung mit den Künstler_innen nennen, nachdem das große Wimmelbild von Taring Padi auf dem Friedrichsplatz abgehangen wurde. Immer wieder wurden Entscheidungen der Documenta gGmbH ohne Einbezug der Künstler_innen getroffen, die sich deswegen bevormundet und in ihren Positionen nicht ernst genommen fühlten. Die Documenta Leitung ist in der Verantwortung, mit ihren Künstler_innen im Gespräch zu bleiben und ihnen die aktuellen Entwicklungen nahe zu bringen. Bei den rassistischen und transfeindlichen Angriffen auf Künstler_innen ruft die Institution einzig nach mehr Polizei. Doch wir wissen, dass die Polizei für uns und viele der Künstler_innen keine Sicherheit, sondern mehr Unsicherheit bedeutet. Wir sagen, kein Verlass auf die Polizei als Sicherheitsapparat. Wir sagen, kein Verlass auf die staatlich geförderte Documenta gGmbH.
Wir kritisieren Ruangrupa:
Noch lange vor der Eröffnung der documenta fifteen wurde ein Statement von Ruangrupa verfasst, in dem es hieß, auf der Documenta werde es keinen Antisemitismus geben. Später schrieb Ruangrupa: “Im Rahmen der documenta fifteen wurden zu keinem Zeitpunkt antisemitische Äußerungen gemacht.” Wir fragen uns bei diesen Formulierungen, welches Verständnis von Antisemitismus soll hier eigentlich vorliegen? Wenn von Beginn an ausgeschlossen werden kann, dass Antisemitismus geschieht, impliziert das für uns, dass die Verstrickung der Akteur_innen mit Antisemitismus ignoriert wird. Für uns ist Antisemitismus demgegenüber ein Machtverhältnis, ein weltstrukturierendes Phänomen, das verinnerlicht und internalisiert wurde. Es erscheint uns fraglich, wie unter dieser Annahme eine solche Aussage lange vor Beginn der documenta fifteen und währenddessen getroffen werden konnte.
Antisemitismus kann genauso wenig wie Rassismus aus dem Diskurs ausgeklammert werden. Wir kritisieren, dass Ruangrupa zwar z.B. das Sarah-Nussbaum-Zentrum besucht hat, aber die Gesprächsangebote und Expert_innentipps nicht im Vorfeld genutzt hat. Wir sehen hier ein Versäumnis, sich trotz der Angebote von jüdischen Personen und Institutionen im Vorfeld nicht intensiver damit auseinandergesetzt zu haben. Wenn die documenta fifteen ein Raum des kollektiven Dialogs und wechselseitigen Lernens sein soll, wie könnt ihr dann die Auseinandersetzung mit Antisemitismus nicht als Teil dieses Dialoges verstehen? Am 09.05.2022 wurde ein offener Brief der Kurator_innen sowie von Ruangrupa veröffentlicht, in dem von dem „bekanntermaßen ‚scharfen Schwert‘ des Antisemitismusvorwurfs“ gesprochen wird. Diese Formulierung ist falsch. Aus Erfahrungen von Betroffenen antisemitischer Gewalt wissen wir, dass eine Anerkennung von antisemitischen Angriffen langwierige, schwierige Kämpfe sind. Oftmals erfolgen diese Kämpfe ergebnislos. Antisemitismus ist ein scharfes Schwert: Antisemitismus ist real, gefährlich und tödlich.
Wir kritisieren das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel (kurz BgA):
Schon lange vor Beginn der documenta fifteen wurde durch das Bündnis gegen Antisemitismus eine Recherche veröffentlicht, welche insbesondere Question of Funding kritisierte. Wir haben diese Recherche damals gelesen und immer wieder diskutiert. Die Recherchen vom BgA zur documenta fifteen wurden schon in verschiedenen Zeitungen genauer analysiert und ihre Unschärfen kritisiert1 weswegen wir an dieser Stelle stärker auf die rassistischen Mustern in ihren Texten eingehen wollen. In verschiedenen Artikeln des BgA, welche schon vor der documenta fifteen veröffentlicht wurden, sind wir auf eine ignorante, rassistische2 Haltung gegenüber antirassistischen Kämpfen gestoßen. Beispielsweise fordert das BgA, dass das Erinnern und Trauern an Halit Yozgat, der 2006 in Kassel vom NSU ermordet wurde, doch auch mal sein Ende haben müsste. Ebenso im Kontext der Ermordung von George Floyd reflektiert das BgA lieber über dessen Vergangenheit als Drogendealer, anstatt sich der Gewalt der Polizei zu widmen. Wir lesen das als Verharmlosung der rassistischen Gewalt. Weiterführend bezeichnet das BgA die antirassistischen Schändungen rassistischer Statuen oder der Umgang mit rassistischen Worten als „Talibanisierung des Umgangs mit Kulturgütern“.
Das BgA will also bestimmen, an wen, wie erinnert werden darf und an wen nicht. Wer eine Widerstandsfigur des antirassistischen Kampfes sein darf und wer nicht. Das BgA legt fest, wie antirassistische Politiken aussieht, anstatt sich mit antirassistischen Kämpfen zu solidarisieren. Für uns sind all die Beispiele darauf ein Hinweis, dass das BgA immer wieder auf rassistische Muster zurückfällt und keinen Willen hat, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Konkret wird dies im Kontext der documenta fifteen an der Reaktion auf den transfeindlichen und rassistischen Angriff auf Mitglieder von Party Offices deutlich: Dort wird der Angriff durch das BgA auf Facebook verharmlost, in dem sie die Täter_innen als „Honks“ darstellen, anstatt die transfeindlichen, rassistischen Strukturen ernst zu nehmen. Egal welche Leute für diesen Angriff verantwortlich waren, diese Tat nicht ernst zu nehmen und zum Schluss zu kommen, dass es keine bedrohlich auftretende Nazi-Szene in Kassel geben würde, ignoriert die reale rechte Gewalt hier. Es ignoriert gleichzeitig die Gewalt der Dominanzgesellschaft, die dazu führt, dass die Straßen in Kassel für viele eben nicht sicher sind. Das BgA ist für uns kein Partner. Das BgA nutzt unserer Meinung nach immer wieder rassistische Narrative für ihre Argumente, welche sich auch in ihren Argumentationen zum Thema Antisemitismus finden lassen. Das heißt für uns, selbst Antisemitismus ernst zu nehmen und nicht dem BgA mit ihrem Rassismus das Feld in Kassel zu überlassen.
Wir kritisieren den pauschalen Vorwurf postkoloniale Theorien seien antisemitisch.
Wenige Künstler_innen beziehen sich in der documenta fifteen überhaupt direkt auf den Begriff des Postkolonialismus. Aber scheinbar reicht das Schlagwort „Globaler Süden“ schon bei vielen Beobachter_innen, um direkt die documenta fifteen mit postkolonialer Theorie zu verbinden und diesen direkt mit scheinbar importierten Antisemitismus zu verbinden. So kommt z.B. die AFD in einem Antrag im Bundestag zum Schluss: „Die Wurzel der antisemitischen Entgleisungen auf der documenta liegt in der postkolonialistischen Ideologie“. CDU und AFD stellten Anträge im Bundestag, welche u.a. forderten, der postkolonialen Forschung, postkolonial inspirierte Kulturarbeit und Bildungsarbeit die Gelder zu streichen. Dank postkolonial inspirierter Theoretiker_innen entwickelt sich heute langsam aber stetig ein Bewusstsein für deutschen Kolonialismus und rassistische Kontinuitäten. Dass wir endlich über Kolonialismus reden, ist gut! Dass dies niemals in einer so oft beschworene Opferkonkurrenz (d.h. das wechselseitige Ausspielen von scheinbar separierten Betroffenen-Gruppen) enden darf, ist zentral und möglich! Postkoloniale Theorien sind vielfältig, widersprüchlich und ergänzend zugleich. Die komplette postkoloniale Theorie als antisemitisch zu imaginieren, macht zahlreiche wichtige Analysen und Positionen, die zu einer linken Veränderung beitragen können, unsichtbar. Verbotswünsche von AfD, CDU und Co. verweisen für uns darauf, dass der pauschale Antisemitismus-Vorwurf an die gesamte postkoloniale Theorie dafür genutzt wird, rassismuskritische Analysen, Aufarbeitung von Kolonialgeschichte und Bearbeitung von deutschem Rassismus zu verhindern. Dies zeigt uns, dass Rechte die documenta fifteen führ ihre eigene anti-emanzipatorische Ideologie nutzen. Dies zeigt uns, dass die Kritik an der documenta fifteen auch durch Rassismus geprägt ist. Gleichzeitig gilt: Deutsche Rassist_innen dürfen keine Ausrede für eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus in linken, antirassistischen Bewegungen sein.
Wir kritisieren die weiße, nicht-jüdische, deutsche Zivilgesellschaft
Diese hat nun eine herrliche Projektionsfläche für ihren eigenen Antisemitismus gefunden. Die Reaktionen der weißen, nicht-jüdischen deutschen Zivilgesellschaft macht deutlich: Der Antisemitismus ist immer der Antisemitismus der Anderen. Eine documenta fifteen, in der Menschen aus dem Globalen Süden maßgeblich beteiligt sind und die nun durch antisemitische Werke auffällt, tut da natürlich der weißen Dominanzgesellschaft richtig gut, um sich mal wieder selbstgerecht vor die Tür zu trauen und das rassistische Narrativ des importierten Antisemitismus zu verbreiten. Das Bild des importierten Antisemitidmus durch Muslim*innen bedient das klassische Feindbild der extremen Rechten. Die völkische Ideologie, die beispielsweise durch die AfD vertreten wird, hat schon immer Rassismus und Antisemitismus eng miteinander verbunden. Doch wir wissen, wenn es um den weißen, deutschen Antisemitismus geht, dann geht’s schnell wieder in die Abwehrhaltung. Dass die Documenta eine lange antisemitische Geschichte hat, wie oben kurz angerissen wurde, wurde noch nie in angemessener Form diskutiert.
Antisemitismus ist kein Problem des Globalen Südens, Antisemitismus ist ein weltweites Problem. Dabei wird gerade an den antisemitischen Bildern von Taring Padi deutlich, dass diese beeinflusst von europäischen Kolonialismus und Antisemitismus sind. Die zwei Wissenschaftler_innen Ligtenberg und Schär haben diese Verbindungen genauer herausgearbeitet. Sie stellen fest: „Antisemitismus in Indonesien ist keine javanische Erfindung. Er ist das komplexe Erbe eines kolonialen, inklusive deutschen, kulturellen Exports, den sich heutige Indonesier_innen angeeignet und den sie transformiert haben.“ Fassen wir zusammen: Es gibt zum Einen keinen Grund, liebe weiße Dominanzgesellschaft, sich hier besser zu fühlen. Zum Anderen ist Taring Padi in der Verantwortung, sich mit dem eigenen Antisemitismus auseinanderzusetzen.
Wir kritisieren, die insbesondere von den Künstler_innen der documenta fifteen oftmals genutzte Logik, dass der Antisemitismus-Vorwurf nur eine deutsche Befindlichkeit aufgrund der fehlenden Aufarbeitung der eigenen Schuld in Bezug auf die Shoa wäre:
Unserer Meinung nach sollte hier differenziert werden. Es gibt in Deutschland einen scheinbaren Fokus auf Antisemitismus in Folge der Shoa, der in den vergangenen Jahren aber von verschiedenen jüdischen Autor_innen u.a. aufgrund dem Fokus auf die Reinigung der deutschen Schuld und dem Streben nach Versöhnung, welches kritisch unversöhnliche jüdische Stimmen unsichtbar macht, kritisiert wurde. Erinnert sei hier exemplarisch an Max Czolleks Konzept des Gedächtnistheaters, welches das deutsche Gedenken an die Shoa als Schauspiel kritisiert, welches jüdische, widerständige Perspektiven aufgrund des nicht-jüdischen, deutschen Wunsches nach Versöhnung ignoriert. Dieser Wunsch nach Vergebung und Versöhnung infolge der deutschen Schuld des Nationalsozialismus muss kritisiert werden. Hier geht es nämlich nicht um einen Kampf gegen Antisemitismus.
Dass Antisemitismus-Vorwürfe aber nur als Reaktion auf deutsche Schuldgefühle in Folge der Shoa verstanden werden, wie dies von verschiedenen Künstler_innen getan wurde, hat unserer Meinung nach dazu geführt, dass Antisemitismus nicht mehr kritisiert werden konnte, ohne eurozentrisch und/oder rassistisch zu sein. Dabei kritisierten Jüd_innen, am vehementesten den Antisemitismus auf der documenta fifteen. Diese wurden aber aufgrund des Narratives der deutschen Schuld nicht gehört und ernst genommen. Jüd_innen wurde abgesprochen, selbst Expert_innen für ihre Diskriminierungserfahrungen zu sein. Dies lässt sich exemplarisch an der Kritik der Künstler_innen an Meron Mendel und anderen durch die Documenta gGmBh eingesetzten wissenschaftlichen Gremien aufzeigen. Die wissenschaftlichen Akteur_innen wurden dabei aufgrund ihrer Kontrollmechanismen über BiPoC Künstler_innen u.a. im Statement der Künstler_innen kritisiert, da diese Gremien an koloniale, rassistische Muster erinnern. Allerdings wird hier jüdisches (Erfahrungs-)Wissen über Antisemitismus pauschal mit weißen, dominanten Wissen gleichgesetzt. In der Gleichsetzung sehen wir eine problematische Entwicklung, die sich vor allem in der Frage zuspitzt, ob Jüd_innen Teil des Globalen Nordens, der Unterdrücker_innen, sind. Hier sagen wir ganz klar: Nein. Jüdische Menschen haben eine jahrtausend lange Verfolgung hinter sich. Jüdische Menschen wurden systematisch ermordet. Jüdische Menschen fragen sich täglich, ob sie sichtbar im Stadtbild auftreten wollen. Antisemitismus tötet. Antisemitismus ist ein gesellschaftliches Machtverhältnis. Wir leben in einer gojnormativen Welt, d.h. in einer Welt, die auf den Blick und die Analyse nicht-jüdischer Menschen zentriert ist.
In der Analyse der Gojnormativität3, entwickelt von Coffey und Laumann, sehen wir die Chance, Antisemitismus in die Intersektionalitätsdebatten einzubinden. Dadurch ist es möglich, Antisemitismus und Rassismus in Beziehung zu einander zu setzen und als zwei Machtverhältnisse zu verstehen, die miteinander verschränkt und gleichzeitig verschieden sind. Ansätze dieser Verknüpfungen lassen sich historisch z.B. bei den Organisierungen von feministischen Gruppen in den 1990er Jahren, an denen jüdische und BiPoC Personen teilgenommen haben, sehen. Diese Allianzen waren von Anfang an brüchig: So wurde viel diskutiert, ob jüdische Personen teil der Treffen sein sollten oder nicht. Aber diese Allianzen wurden versucht umzusetzen. Wir sehen, dass dieser Ansatz uns hilft sowohl antisemitisch als auch rassistisch Ideologien bei rechten Terrortaten einzuordnen. Wir sehen dies am Beispiel des NSU, der neun Menschen aus rassistischen Gründen ermordete und gleichzeitig eine antisemitische Ideologie vertrat. Wir sehen dies am Beispiel des rechten Anschlags in Halle, wo der Täter erst eine Synagoge und danach den ehemaligen KiezDöner angriff. Wir sehen die daraus entstehenden selbstorganisierten Zusammenschlüssen von jüdischen, BiPoC Personen, die rechte Gewalt wie in Halle überlebt haben, und nun Seite an Seite gegen Antisemitismus und Rassismus kämpfen. Wir sehen diese Allianzen im Festival of Resilience in Berlin, wo jüdische und BiPoC Personen zusammen ihr Überleben rechter Mordversuche feiern. Wir sehen auch, dass es immer wieder Auseinandersetzungen gibt, Streits und Differenzen, alles andere wäre auch aufgrund der Widersprüchlichkeiten dieser Welt seltsam. Doch wir haben die Hoffnung, dass aus diesen Analysen und Allianzen Wege entstehen, die uns näher an eine Welt ohne Rassismus, ohne Antisemitismus und all der anderen Herrschaftsverhältnisse bringen.
Dieser Text ist ein Versuch, verschiedene Seiten der Debatte näher zu beleuchten und zu kritisieren. Dies ist ein Versuch, unsere Gedanken der vergangenen Monate zu Papier zu bringen. Wir sind uns bewusst, dass wir nicht alles verstanden haben und es auch weiterhin viel zu kritisieren gibt. Die documenta fifteen ist vorbei, doch wir sehen, dass die Debatten weitergehen (müssen)! Deshalb denken wir, dass es wichtig ist, die documenta fifteen weiterhin im Blick zu behalten, diese zu reflektieren und zu ver_lernen.
Denn, auch wenn wir wütend sind, haben wir noch nicht aufgegeben!
Anmerkungen
1) Anbei einige Links zu Artikeln, die die BgA-Analysen im Fokus haben. Wir stimmen nicht mit allen Aussagen überein, denken aber, dass sie einen guten Überblick über den Diskussionsstand vermitteln. (Zurück zum Text)
- Monopol Magazin: Antisemitismus-Polemik gegen die Documenta geht nach hinten los
- Geschichte der Gegenwart: Wer war Khalil Sakakini? Eine Tagebuchreise nach Palästina
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Hat man ihn missverstanden?
- dis:orient: Wir brauchen eure Liebe nicht!
- Berliner Zeitung: Antisemitismus-Vorwurf gegen Documenta: Wie ein Gerücht zum Skandal wurde
2) Neben rassistischen Mustern nehmen wir beim BgA ebenso ableistische sowie cis-sexistische Aussagen wahr. Wir wollen an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen, da der Fokus auf der documenta fifteen, Antisemitismus und Rassismus liegt. Trotzdem ist es für uns wichtig, dies zu benennen, um deutlich zu machen, dass unsere Kritik am BgA mit weiteren Machtverhältnissen verstrickt ist. (Zurück zum Text)
3) Gojnormativität: Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen, von Coffey und Laumann (Zurück zum Text)
Everyone is angry!
The documenta fifteen is over, the anger remains. But what do we as leftists in Kassel take with us? What do we do with our anger?
The documenta fifteen has brought many big questions about anti-Semitism and racism back to the table: Who says what anti-Semitism and racism are? How does one deal with anti-Semitism and racism in public space? And how do the intention of the artists, the interpretation of the visitors and the reception of the media relate to each other?
Jewish people have repeatedly criticized anti-Semitism at documenta fifteen. These works and analyses should be taken seriously and form the basis of any discussion of these issues. This contribution is meant to express solidarity to Jewish people and to thank them for the fact that it was mainly you who drew attention to anti-Semitism and made it an issue again and again. It is sad that this was not taken over by other actors – like the documenta fifteen institution. But unfortunately, nothing new so far. The (re)traumatization of Jewish people who were confronted with anti-Semitic works is already noticeable. Even if Jewish people do not go to the spaces of documenta fifteen at all, they must pass by certain images and figures in public space. Moreover, they are always confronted with the debates and images in the media. For example, shortly after documenta fifteen began on June 21, 2022, Christoph Heubner, as vice president of the International Auschwitz Committee, said the following:
“Holocaust survivors are following the desolate developments surrounding documenta 15 with bewilderment and resignation. The demeaning depiction of Jewish people in drawings on display is tainted with anti-Semitic stereotypes that are very familiar to Holocaust survivors, reminding them of the dark times when they were outcast and hounded with similar drawings. It is now apparent that the inability to talk between those involved politically and artistically in the preparation of documenta has led to a situation that is now totally muddled and undignified, and which tragically will produce nothing but new anti-Semitic and anti-Israeli clichés in the minds of many people: The Jews as eternal troublemakers and detractors of documenta 15.”
International Auschwitz Committee
In parallel, attention should also be drawn to racism at documenta fifteen and in the institution of documenta. Racist and transphobic attacks on artists are well known. Racist structures of the Documenta institution have been made visible in detail by the BPoC Festival Kassel, among others, in their statement and have been denounced again and again by documenta fifteen artists. The BPoC Festival Group Kassel is an association of Black, People of Color, who have already organized two series of events with different formats in the past two years.
It is not surprising that documenta fifteen falls back on racist and anti-Semitic structures, because racism and anti-Semitism are everyday life in German society and worldwide. Both exist in parallel and intertwined. However, documenta fifteen’s ignoring, non-thematizing, and lack of action in dealing with these power relations is disappointing and infuriating. In the following, this article does not want to reflect on the interpretation of different works, because it is not about artistic freedom. It is about what ideas people have in their heads. It is about the entrenchment of anti-Semitism and racism as power relations at documenta fifteen, in leftist structures and everywhere. It is about the question of solidarities and alliances in the struggle against anti-Semitism and racism. We – a few people from the Kassel left – are angry. Who actually isn’t? And we ask ourselves in this article, how we can fight together against the racist and anti-Semitic normal state!
In the following text we reflect on certain actors as well as narratives that have caught our attention in the past time. We criticize ourselves as writers, the Documenta gGmbH, Ruangrupa and the Bündnis gegen Antisemitsmus Kassel. We criticize the narrative of solely imported anti-Semitism. We criticize the narrative that the accusation of anti-Semitism is only a remnant of unprocessed German guilt. We criticize the narrative that postcolonial theories are anti-Semitic. We do not stop at criticism, but try to develop perspectives for common struggles. Documenta fifteen may be over, but the debate is far from it.
We criticize ourselves as writers:
We too have dealt too little with anti-Semitism in the run-up to documenta fifteen, but also generally in our political situation. We perceive that again and again hurdles arise with the topic because there is concern to argue, for example, in the debate about Israel-Palestine. But this blocks the concrete solidarity with Jewish people when Jews are attacked because of anti-Semitism. Anti-Semitism is German reality and everyday life. Anti-Semitism is a murder motive of the German right. Anti-Semitism is a power structure that shapes us and permeates our narratives. Anti-Semitism is part of truncated leftist analyses of capitalism. Anti-Semitism is everywhere and needs to be actively unlearned – just like racism, cis-sexism, Ableism, classism and all other power relations. Through listening and learning. Through concrete alliances and solidarity work. This is where we all (including you) need to start and continue.
We criticize Documenta gGmbH:
The fact that in the run-up to the event there was no discussion whatsoever about the topic of anti-Semitism, we consider to be a big mistake. We criticize the documenta fifteen for not taking responsibility for its own anti-Semitic history. Specifically, this means the context in which the documenta was created, as well as the connections to National Socialism and the anti-Semitic event at the last documenta under the motto “Auschwitz on the Beach”. The detailed discussion of these aspects was replaced by a panel discussion. Research on the entanglements of National Socialism and anti-Semitism, as can be seen in the founding figure Werner Haftmann, was only begun in depth after Documenta14 and subsequently processed, for example, in an exhibition at the German Historical Museum.
Thus, at that time – much too late – an examination of the debate about anti-Semitism in the Documenta structures was had already begun, which, however, found no space in documenta fifteen. The fact that this was not addressed points to a missed opportunity to conduct a complex debate that would also have focused on Documenta as an institution and not just Ruangrupa. If the Documenta institution wants to organize a major art exhibition, then it must take anti-Semitism seriously within its own ranks, structures, and institutions. But that is not what the institution has done. This can be exemplified by the handling of Meron Mendel, who was originally announced in a big way in public as an anti-Semitism expert by Sabine Schormann. At the same time, he was perceived within documenta fifteen as a controlling authority of the state of Hesse an therefore met with rejection. Little happened publicly after the announcement. It seemed like a big silence and sitting out of the issues. In retrospect, Mendel even says that Schormann prevented a conversation with him and the artists. Mendel describes this as “a neo-colonial attitude towards Ruangrupa.“
The racist attitude of Documenta gGmbH – as denounced by the BPoC Festival, the artists of documenta fifteen, as well as Mendel – becomes visible at many points. This, as well as the lack of willingness to deal with anti-Semitism, must be sharply criticized. One example is the lack of communication between the Documenta management and the artists after the large Wimmelbild by Taring Padi was taken down on Friedrichsplatz. Again, and again, decisions were made by Documenta gGmbH without the involvement of the artists, who felt patronized and that their positions were not taken seriously. It is the responsibility of the Documenta management to remain in dialogue with its artists and to make them aware of current developments. When it comes to racist and transphobic attacks on artists, the institution only calls for more police. But we know that for us and many of the artists, the police do not mean security, but even more insecurity. We say, no reliance on the police as a security apparatus. We say, no reliance on the state sponsored Documenta gGmbH.
We criticize Ruangrupa:
long before the opening of Documenta, a statement was written by Ruangrupa saying that there would be no anti-Semitism at Documenta. Later Ruangrupa wrote: “At no time were anti-Semitic statements made in the context of documenta fifteen.”
We ask ourselves with these formulations, which understanding of anti-Semitism should actually be present here? If it can be excluded from the beginning that anti-Semitism happens, this implies for us that the actors’ involvement with anti-Semitism is ignored. For us, on the other hand, anti-Semitism is a power relation, a world-structuring phenomenon that has been internalized and internalized. It seems questionable to us how, under this assumption, such a statement could be made long before documenta fifteen began and during it. Anti-Semitism can no more be excluded from the discourse than racism. We criticize that ruangrupa visited the Sarah Nussbaum Center, for example, but did not make use of the conversation offers and expert tips in advance. We see here an omission, despite the offers of Jewish persons and institutions in the run-up not to have dealt with it more intensively. If documenta fifteen is supposed to be a space of collective dialogue and mutual learning, how can you not understand the confrontation with anti-Semitism as part of this dialogue? On 09.05.2022 an open letter of the curators as well as of Ruangrupa was published, in which the “well-known ‘sharp sword’ of the accusation of anti-Semitism” is mentioned. This formulation is wrong. We know from the experiences of victims of anti-Semitic violence that acknowledging anti-Semitic attacks are long, difficult struggles. Often these struggles occur without results. Anti-Semitism is a sharp sword: anti-Semitism is real, dangerous and deadly.
We criticize the Bündnis gegen Antisemitismus Kassel (BgA):
Long before documenta fifteen began, the Bündnis gegen Antisemitismus published research that criticized Question of Funding in particular. We read this research at that time and discussed it again and again. The BgA’s research on documenta fifteen has already been analyzed in more detail in various newspapers and its inaccuracies have been criticized, which is why we want to focus more on the racist patterns in their texts here. In various articles of the BgA, which were already published before documenta fifteen, we came across an ignorant, racist attitude towards anti-racist struggles. For example, the BgA demands that the remembrance and mourning of Halit Yozgat, who was murdered by the NSU in Kassel in 2006, should come to an end. Likewise, in the context of the murder of George Floyd, the BgA prefers to reflect on Floyd’s past as a drug dealer instead of addressing police violence. We read this as downplaying the racist violence. Going further, the BgA calls the anti-racist desecration of racist statues or the use of racist words “Talibanization of the treatment of cultural property.”
Thus, the BgA wants to determine who, how may be remembered and who not. Who may and who may not be a figure of resistance of the anti-racist struggle. The BgA determines what anti-racist politics looks like instead of solidarity with anti-racist struggles. For us, all the examples of this are an indication that the BgA keeps falling back on racist patterns and has no will to deal with them. In the context of documenta fifteen, this becomes clear in the reaction to the transphobic and racist attack on members of Party Offices: There, the attack is played down by the BgA on Facebook, in which they portray the perpetrators as “honks” instead of taking the transphobic, racist structures seriously. No matter which people were responsible for this attack, not taking this act seriously and concluding that there would be no threatening Nazi scene in Kassel ignores the real right-wing violence here. At the same time it ignores the violence of the dominance society, which leads to the fact that the streets in Kassel are just not safe for many. The BgA is not a partner for us. In our opinion, the BgA repeatedly uses racist narratives for their arguments, which can also be found in their argumentations on the topic of anti-Semitism. For us, this means taking anti-Semitism seriously ourselves and not leaving the field to the BgA with their racism.
We criticize the general accusation that postcolonial theories are anti-Semitic.
Only few artists in documenta fifteen even refer directly to the concept of postcolonialism. But apparently the catchword “Global South” is already enough for many observers to directly link documenta fifteen with postcolonial theory and to directly link this with apparently imported anti-Semitism. For example, in a motion in the Bundestag, the AFD concludes: “The root of the anti-Semitic aberrations at the documenta lies in postcolonialism ideology”. The CDU and AFD tabled motions in the Bundestag demanding, among other things, that funds be cut from postcolonial research, postcolonial inspired cultural work, and educational work. Thanks to postcolonial inspired theorists, an awareness of German colonialism and racist continuities is slowly but steadily developing today. It is good that we are finally talking about colonialism! That this must never end in a so often invoked victim competition (i.e., the mutual playing off of seemingly separated affected groups) is central and possible! Postcolonial theories are diverse, contradictory and complementary at the same time. To imagine the complete postcolonial theory as anti-Semitic makes invisible numerous important analyses and positions that can contribute to a left change. For us, the banning requests of AfD, CDU and Co. point to the fact that the blanket accusation of anti-Semitism against the entire postcolonial theory is used to prevent critical analyses of racism, the reappraisal of colonial history and the processing of German racism. This shows us that right-wingers use the documenta fifteen for their own anti-emancipatory ideology. This shows us that the criticism of documenta fifteen is also characterized by racism. At the same time: German racists must not be an excuse for dealing with anti-Semitism in leftist, anti-racist movements.
We criticize the white, non-Jewish, German civil society
which has now found a splendid projection surface for its own anti-Semitism. The reactions of the white, non-Jewish German civil society make it clear: anti-Semitism is always the anti-Semitism of others. A documenta fifteen, in which people from the Global South are significantly involved and which is now conspicuous by anti-Semitic works, is of course very good for the white dominance society to dare once again to self-righteously step outside the door and spread the racist narrative of imported anti-Semitism. The image of imported Jew-hatred by Muslims serves the classic enemy image of the extreme right. The ‘völkisch’ ideology represented by the AfD, for example, has always closely linked racism and anti-Semitism. But we know that when it comes to white, German anti-Semitism, we quickly get defensive again. The fact that Documenta has a long anti-Semitic history, as briefly touched on above, has never been adequately discussed. Anti-Semitism is not a problem of the Global South, anti-Semitism is a worldwide problem. It is clear from the anti-Semitic images of Taring Padi that they are influenced by European colonialism and anti-Semitism. The two scholars Ligtenberg and Schär have worked out these connections in more detail. They state: “Anti-Semitism in Indonesia is not a Javanese invention. It is the complex legacy of a colonial, including German, cultural export that contemporary Indonesians have appropriated and transformed.” Let’s summarize: On the one hand, there is no reason, dear white dominant society, to feel better about being here. For another, Taring Padi has a responsibility to address its own anti-Semitism.
We criticize the logic often used, especially by the artists of documenta fifteen, that the accusation of anti-Semitism is only a German state of mind due to the lack of coming to terms with one’s own guilt in relation to the Shoa:
In our opinion, a differentiation should be made here. In Germany, there is an apparent focus on anti-Semitism because of the Shoa, which has been criticized in recent years by various Jewish authors, among other things because of the focus on the cleansing of German guilt and the striving for reconciliation, which makes critically irreconcilable Jewish voices invisible. Recalled here, as an example, is Max Czollek’s concept of memorial theater, which criticizes German commemoration of the Shoa as a spectacle that ignores Jewish, resistant perspectives because of the non-Jewish, German desire for reconciliation. This desire for forgiveness and reconciliation as a result of German guilt of National Socialism must be criticized. Indeed, this is not about a fight against anti-Semitism. However, the fact that accusations of anti-Semitism are only understood as a reaction to German feelings of guilt as a result of the Shoa, as has been done by various artists, has in our opinion led to the fact that anti-Semitism can no longer be criticized without being Eurocentric and/or racist. It was Jews who most vehemently criticized anti-Semitism at documenta fifteen. But they were not heard and taken seriously because of the narrative of German guilt. Jews were denied the right to be experts on their own experiences of discrimination. This can be exemplified by the artists’ criticism of Meron Mendel and other scientific committees appointed by Documenta gGmBh. The scientific actors were criticized for their control mechanisms over BiPoC artists, among other things in the artists’ statement, because these committees are reminiscent of colonial, racist patterns. However, Jewish (experiential) knowledge about anti-Semitism is here equated across-the-board with white, dominant knowledge. We see a problematic development in this equation, which comes to a head above all in the question of whether Jews are part of the Global North, the oppressors. Here we clearly say: No. Jewish people have been persecuted for thousands of years. Jewish people have been systematically murdered. Jewish people ask themselves daily whether they want to appear visibly in the cityscape. Anti-Semitism kills. Anti-Semitism is a social power relationship. We live in a ‘goynormative’ world, that is, a world centered on the gaze and analysis of non-Jewish people. In the analysis of goynormativity, developed by Coffey and Laumann, we see the opportunity to integrate anti-Semitism into intersectionality debates. This makes it possible to relate anti-Semitism and racism to one another and to understand them as two power relations that are intertwined and distinct at the same time. Approaches to these linkages can be seen historically, for example, in the organizing of feminist groups in the 1990s in which Jewish and BiPoC people participated. These alliances were fragile from the beginning: for example, there was much debate about whether Jewish persons should be part of the meetings or not. But these alliances were tried to be implemented. We see that this approach helps us to classify both anti-Semitic and racist ideologies in right-wing terrorist acts. We see this in the example of the NSU, which murdered nine people for racist reasons and at the same time represented an anti-Semitic ideology. We see this in the example of the right-wing attack in Halle, where the perpetrator first attacked a synagogue and then the former KiezDöner. We see the resulting self-organized alliances of Jewish, BiPoC people who survived right-wing violence like in Halle, and are now fighting side by side against anti-Semitism and racism. We see these alliances in the Festival of Resilience in Berlin, where Jewish and BiPoC persons together celebrate their survival of right-wing murder attempts. We also see that there are always clashes, disputes and differences, anything else would be strange also because of the contradictions of this world. But we have hope that out of these analyses and alliances will come ways that bring us closer to a world without racism, without anti-Semitism and all the other shit.
This text is an attempt to take a closer look at and critique different sides of the debate. This is an attempt to put on paper our thoughts of the past months. We are aware that we cannot do justice to the complexity. We are aware that we have not understood everything and that there is still much to criticize. Documenta fifteen is over, but we see that the debates (must) continue! That’s why we think it’s important to continue to keep an eye on documenta fifteen, to reflect on it and to unlearn. Because, even if we are angry, we haven’t given up yet!