Etwa 100 Personen waren am vergangenen Samstag, den 5. November, dem Aufruf der Kasseler Solidaritätsgruppe für die inhaftierte Antifaschistin Lina gefolgt. Die gebürtige Kasseler Studentin sitzt seit dem 5. November 2020 in Untersuchungshaft, weil die Bundesanwaltschaft ihr vorwirft, in die Planung und Durchführung von Aktionen gegen Neonazis involviert gewesen zu sein.
Erst am 8. September 2021 begann schließlich der Prozess gegen Lina und drei weitere Angeklagten vor dem Oberlandesgericht in Dresden. Das Verfahren wird von Unterstützer*innen der Beschuldigten seither bewusst auch als „Antifa-Ost Verfahren“ bezeichnet. Damit soll verdeutlicht werden, dass es nicht allein um Lina geht, wenngleich sie als einzige Frau und bisher einzige Inhaftierte besonders in der Öffentlichkeit steht. Zudem laufen in diesem Komplex noch gegen weitere Personen Ermittlungsverfahren, die bisher nicht zur Anklage gebracht wurden.
Seit Linas Inhaftierung hat sich auch in Kassel eine Gruppe zur Unterstützung der Beschuldigten im Antifa-Ost Verfahren zusammengefunden. Diese organisierte bereits mehrere Fahrten, um den Prozess in Dresden zu besuchen, Info-Veranstaltungen und eine Demonstration in Kassel sowie Spendensammlungen für die entstandenen Gerichtskosten.
In der ersten Rede der Kasseler Solidaritätsgruppe wurde vor allem der Verlauf und aktuelle Stand der Verhandlung in Dresden thematisiert. Zu jedem der bisher 73 Verhandlungstage sei Lina mit großer Polizeieskorte und an Händen und Füßen gefesselt aus der JVA Chemnitz nach Dresden gefahren worden. Abgesehen vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 sei die Beweisaufnahme zu allen Einzeltaten nahezu abgeschlossen, schilderte der Redner. Dabei hätten sich die befragten Nazi-Zeugen immer wieder in Widersprüche verstrickt und sich herausgestellt, dass es enge Verbindungen zwischen Ermittlungsbehörden und rechten Organisationen gebe.
Eine kleine Ausstellung am Rande der Kundgebung zeigte neben einigen öffentlichen Erklärungen der Leipziger Soli-Gruppe auch ausgewählte Presseartikel über die kleinen und großen Skandale des bisherigen Verfahrensverlaufs.
Verlesen wurde zum Schluss ein Grußwort von Linas Mutter, die an dem Tag selbst die Kundgebung vor der JVA in Chemnitz besuchte. Trotzdem richtete sie das Wort an die Anwesenden in Kassel, bedankte sich für die anhaltende Solidarität und überbrachte Grüße ihrer Tochter:
„Danke für 730 Tage Solidarität und Verbundenheit; sei es im Gerichtssaal, bei der Soli-Bar oder auf Kundgebungen. Danke für die vielen Solidaritätsbekundungen von überall her, für mutmachende und tröstende Worte und für die zahlreichen Briefe und Postkarten. Und auch Lina schickt euch ein herzliches und großes Dankeschön für all die kleinen und großen Dinge, die ihr in den letzten zwei Jahren für sie getan habt.“
Grußwort aus Chemnitz
Der Prozess ist mittlerweile, nicht zuletzt wegen der Einführung eines Kronzeugen, schon zum vierten Mal verlängert worden und nun bis zum April 2023 terminiert. Unklar ist allerdings, ob mit weiteren Verlängerungen zu rechnen ist. Für den Samstag nach der Urteilsverkündung mobilisieren die Unterstützer*innen schon jetzt nach Leipzig für die bundesweite „Tag X“ Demonstration.